1864 – 1905
Wenn ich den Wellenschlag des
Meeres höre,
eintönig rauschend, nachts, in
dunkler Stunde,
aufblutet des Gewissens alte
Wunde,
so stark ich auch mich wider
mich empöre.
Ich seh ein Weib, gehüllt in
Trauerflöre,
das murmelt dumpf mit
todesblassem Munde,
was mich vor Graun erbeben
macht, die Kunde,
daß sie der Schande Fluch im
Grabe störe.
Weh meinem
fieberglut-durchlohten Hirne!
Ich seh sie winken mir mit
schmalen Händen –
und kalte Tropfen perlen von der
Stirne.
Der Rache Faust seh ich auf
mich sie wenden,
weil sie durch mich erniedrigt
ward zur Dirne –
in Qualen fühl ich meine
Nächte enden.
1864 – 1905
Von keiner Not besiegt und
keiner Liebe,
hab ich genossen früh und
stets genossen.
Die Eltern starben mir, und
kalt verschlossen
frönt ich als Kind schon
eigensüchtgem Triebe.
Bekam derzeit vielleicht zu
wenig Hiebe
und ward verzogen früh zu
eitlen Possen?
Und doch hat sich der Mutter
Blut ergossen
in meine Brust, daß es
lebendig bliebe.
Mein Herz war warm und warm
hat es empfunden,
für alles Edle hat mein Puls
geschlagen.
Das Leben schwoll, die Dämme
sind geschwunden,
der Sinne Strom hat sie
hinweggetragen.
Du, Pepi, hast das Lösungswort
gefunden:
Revolverle kannst du so
drollig sagen.
1864 – 1905
Da nun du schlummerst, tasten
Traumgestalten
an deinen Schlaf: daß du die
Hände regen,
unwillig deine Lippen mußt
bewegen
und weiter ringen mit des Tags
Gewalten.
Einst wirst du ruhn in
schutzesstarken, kalten
Armen der Nacht: traumlos wird
sich ihr Segen
auf deine wunde, welke Stirne
legen –
und starr und glatt sind
deines Kleides Falten.
Wenn sich, gequält, in seiner
Träume Kreise
der Schläfer windet, lächelst du
so weise:
es kommt der Tag und läßt sich
nicht betrügen.
O lerne lächeln auch ob dieser
Zeiten,
ob dieses Tages dreisten
Wirklichkeiten –
es kommt die Nacht und straft
sie alle Lügen!
1864 – 1905
Ists nicht im Grunde
wesenloser Tand,
was ich in Reimen aneinander
füge?
Ist’s nicht im Grunde eine
bunte Lüge,
was ich in müßig heitrem Spiel
erfand?
Scheint dir mein Reimgebäude
imposant?
Merkst du denn nicht, wie keck
ich dich betrüge,
dieweil ich mich mit jedem
Reim begnüge,
den mir der Zufall grade legt
zur Hand? –
Mit Gott und Weltall spiel ich
kühne Spiele!
Der Dichter wird Jongleur – er
wirft im Nu
der allerzartsten Gegenstände
viele
hoch durch die Luft – es glückt
ihm Coup auf Coup,
denn alles kehrt zurück zu ihm
– dem Ziele...
Gott ist die Welt – und Gott
und ich sind du!